Tendenz zur Autokratie
Die Tendenz einiger Länder sich aus einer bestehenden
Demokratie hin zu einer Autokratie zu bewegen ist momentan an den Beispielen
Türkei, Ungarn oder Polen nicht zu übersehen. Damit stellt sich unmittelbar die
Frage wieso das passiert und wieso es gerade jetzt passiert? Gibt es gemeinsame
und/oder unterschiedliche Ursachen für diese Tendenz?
Wenn man über diese Fragen nachdenkt, dann kommt man auf
unterschiedliche Ursachen. Mir fallen dazu z. B. folgende
"Rahmenbedingungen" ein: gesellschaftliche Mentalität bzw. Tradition,
Wirtschaft, Volatilität/Stabilität des politischen Systems
In den meisten Fällen sind es mehrere Ursachen, die in
Kombination auftreten. Nehmen wir z. B. die Türkei. Als Erdogan an die Macht
kam ging es der Türkei wirtschaftlich schlecht. Er kurbelte die Wirtschaft
durch diverse Maßnahmen (z. B. den Aufbau von Infrastruktur, was die
Bauwirtschaft jubeln ließ) an, so dass es der Bevölkerung in den Folgejahren
wirtschaftlich auch immer besser ging. Der Effekt war, dass er bei der
Bevölkerung immer beliebter wurde. Leider fing er selbst an zu glauben, dass
nur er weiß was für die Türkei gut ist. Den Rest kennen wir ja. Das politische
System wurde anschließend immer mehr auf ihn zugeschnitten und die
demokratischen Strukturen immer weiter aufgeweicht und schließlich fast
abgeschafft. In dieser Zeit hätte die türkische Gesellschaft diese Tendenz
durch entsprechende Abstimmungen bei Wahlen noch verhindern können. Aber hier
kommt meiner Meinung nach ein zweiter Aspekt zum Tragen. Die Mentalität bzw.
die Tradition. In großen Teilen der türkischen Gesellschaft gibt es einen
starken Wunsch nach einem starken Führer. Und dieser ist anscheinend größer als
die Angst die Vorteile der Demokratie mittelfristig zu verlieren. Das ist
natürlich eine sehr kurzsichtige Handlungsweise. Denn unter der dann
entstehenden Autokratie ist die wirtschaftliche Stabilität meistens nur von
einer kurzen Dauer. Autokraten, und das zeigt das Beispiel Türkei auch, neigen
zu politischen Exzessen und damit verbundenen Unsicherheiten. Und
Unsicherheiten schrecken wirtschaftliche Investoren aus dem In- und Ausland ab.
Als Folge geht es wirtschaftlich oft bergab. Das ist das, was wir gerade in der
Türkei beobachten. In der wichtigen Tourismusbranche bleiben die Touristen weg.
Seit großen Konzernen aus dem Ausland Terrorunterstützung unterstellt wird
überlegen sich wahrscheinlich alle Investoren dreimal ob sie in der Türkei
investieren.
Ein anderes Szenario betrifft Länder, die nach einer
Autokratie bzw. Diktatur erst seit kurzem eine Demokratie haben, aber Gefahr
laufen diese zu verlieren. Das sind z. B. Länder, die bei Arabischen Frühling
dabei waren. Ihre Wirtschaft war vor dem Arabischen Frühling oft nicht gut
ausgeprägt. Im Zuge der politischen Umwälzung ist die Wirtschaft in diesen
Ländern oft zum Erliegen gekommen. Und das ist ein Problem für eine junge
Demokratie. Wenn es den Menschen wirtschaftlich schlecht geht, dann wird dafür
natürlich eine Ursache gesucht. Und häufig ist es den Menschen egal ob es die
richtige Ursache ist... Hauptsache man hat einen Sündenbock. Diese
gesellschaftliche Unsicherheit nutzen in solchen Zeiten auch jene Gruppierungen
aus, die selbst an die Macht kommen wollen. Sie präsentieren einfache, aber oft
falsche Erklärungen und Lösungen für die aktuelle Situation, mit denen sich
jeder identifizieren kann. Und nicht selten wird auch die junge Demokratie als
Sündenbock herangezogen. Was die Menschen vergessen ist, dass es nicht Jahre,
sondern oft Jahrzehnte braucht bis sich ein Land unter einer jungen Demokratie
auch wirtschaftlich stabilisiert. Diese Zeit wird aber oft nicht eingeräumt.
Die Verschränkung von Demokratie und Wirtschaft scheint also
ein sehr wichtiges Muster zu sein. Eine Demokratie ohne eine funktionierende Wirtschaft hat es
schwer. Ebenso gibt es nur selten eine gut funktionierende Wirtschaft ohne
starke Demokratie. Beides bedingt sich gegenseitig. Und dazwischen hängt die
gesellschaftliche Mentalität und Tradition, die die eine oder andere
Entwicklung begünstigt.
Kommentare