Chinas Vormarsch

Über zehn Ecken kam ich heute auf das Thema China, was mich dann einige Zeit gedanklich befasst hat. China ist, aus vielen Blickwinkeln betrachtet, hoch interessant. Ob man die wirtschaftliche, die soziale, die politische Entwicklung der letzten Jahrzehnte betrachtet... alles ist miteinander verschränkt und hat das Ziel China global zur Nummer Eins zu machen. Und wie es aussieht ist es China bereits in div. Bereichen gelungen bzw. wird es in absehbarer Zeit gelingen.

Laut Telepolis-Artikel hat der Internationale Währungsfonds bereits 2014 festgestellt, dass "Volksrepublik China bezüglich ihrer Kaufkraft die USA vom ersten Platz in der Weltrangliste abgelöst hatte. Und es besteht kein Zweifel unter Wirtschaftsexperten, dass das Reich der Mitte die Vereinigten Staaten von Amerika bis zum Jahre 2020 in allen Disziplinen vom ersten Platz verdrängt haben wird.".

China agiert umsichtig und nach sehr langfristigen Plänen, um die gesteckten Ziele zu erreichen. Viele Großmächte wie die USA und Russland lassen sich z. B. immer wieder in Kriege verwickeln oder fangen diese selbst an. Kriege sind in diesem Zusammenhang als Erweiterung der Politik anzusehen und Mittel um wirtschaftliche und politische Ziele zu erreichen. Jedoch sind Kriege unmoralisch, unethisch und bringen nicht kalkulierbare Risiken mit sich. Die Dauer, der Ausgang und damit die Kosten eines Krieges lassen sich oft nicht voraussagen. Diese Lektion haben die USA und die Russen in den letzten Jahrzehnten öfter gelernt. China dagegen hat sich in den letzten Jahrzehnten aus Kriegen raus gehalten und ihre Expansion eher über strategische Partnerschaften wirtschaftlich vorangetrieben.

So investiert China weltweit, aber vor allem in Afrika und Mittel- und Südamerika, in großem Maßstab über chinesische Firmen in diverse Industrie- und Wirtschaftsbereiche. Ob es Plantagen sind, die Förderung von Rohstoffen, der Bau von Infrastrukturen wie Häfen, Flugplätzen, Straßen und Bahnstrecken ist... China ist sehr oft mit dabei. Das hat im Grunde zwei Gründe. Zum einen braucht die einheimische Industrie Rohstoffe. China hat zwar selbst viele Rohstoffe, aber die reichen bei Weitem nicht mehr aus. So begnügt sich China nicht mehr nur damit Rohstoffe aufzukaufen, sondern baut diese im Ausland direkt selbst ab. Infrastrukturen wie Häfen dienen dazu diese Rohstoffe möglichst einfach und schnell nach China zu transportieren. Die Infrastruktur dient allerdings auch dazu, und das ist der zweite Grund, die produzierten Waren möglichst effizient an die globalen Kunden auszuliefern. Ein weiterer Vorteil dieser chinesischen, globalen Infrastruktur ist... wer die globalen Transportrouten und -knoten kontrolliert, der kontrolliert auch die Konkurrenz aus anderen Ländern und damit den globalen Markt. Ein Beispiel hierfür ist Chinas Engagement im Chinesischen Meer, durch das die wichtigsten Schifffahrtsrouten der Welt verlaufen und auf das China inzwischen offiziell Anspruch erhebt. Sehr zum Missfallen aller anderen Anreiner.

Auch bei der Produktion von Gütern wird China den jetzigen Spitzenreiter, die USA, mittelfristig überholt haben. Stand 2017 liegt Chinas Bruttoinlandsprodukt (ca. 11.937 Mrd. US-Dollar; Quelle de.statista.com) bei etwa 61% vom Bruttoinlandsprodukt der USA (19.362 Mrd. US-Dollar; Quelle de.statista.com). Allerdings ist das Wachstum des chinesischen Bruttoinlandsprodukts seit 2005 deutlich schneller als das der USA. Das macht sich auch bei den Exporten bemerkbar. 2016 exportierte China Waren im Wert von insgesamt 2.098 Mrd. US-Dollar. USA und Deutschland kamen auf Platz 2 und 3 mit exportierten Waren im Wert von 1.454 bzw. 1.339 Mrd. US-Dollar (Quelle de.statista.com).

Wir importieren Waren aus China, weil diese Waren günstiger sind und sich entlang der Lieferkette mehr Gewinn erzielen lässt. Das hat allerdings zur Folge, dass mittel- und langfristig das produzierende Gewerbe im eigenen Land nicht mehr wettbewerbsfähig ist und verschwindet. Die Konsequenz sind fallende Löhne, steigende Arbeitslosigkeit und die Abhängigkeit von den Importen und damit den exportierenden Ländern, also auch von China.

Wer jetzt denkt, dass das nur für Waren im unteren Preissegment gilt, der irrt. Die Zeit, in der China nur (einfache) Waren kopiert hat, sind längst vorbei. Natürlich wird noch immer viel kopiert und die chinesische Regierung geht nicht wirklich gegen kopierende Unternehmen vor. Aber China hat inzwischen das Know-how und die Ressourcen um selbst komplexe, innovative und qualitativ hochwertige Produkte zu entwickeln und zu bauen. Sei es im Automobilbereich, bei erneuerbaren Energien, im Elektronik-Sektor, im Maschinen- und Anlagenbau, im Schiffs- und Flugzeugbau usw.

Ein Stützpfeiler und absolute Voraussetzung hierfür ist das chinesische Volk. Im Jahr 2017 besteht die Gesamtbevölkerung Chinas aus rund 1,39 Milliarden Einwohnern. Es ist damit das bevölkerungsreichste Land der Erde (Quelle de.statista.com). Auch wenn die Zahl der besonders intelligenten und besonders fähigen Menschen in einer Gesellschaft eher klein sein sollte, so ist diese Gruppe bei einer Gesamtbevölkerung von rund 1,39 Milliarden Einwohner doch recht groß. Und das schulische System in China ist darauf ausgerichtet durch schwere Prüfungen und kontinuierliche Auswahl (siehe Tagesspiegel-Artikel) die Besten zu finden, die dann mittels Studium weiter ausgebildet und gefördert werden. Studieren bedeutet nicht mehr ein Studium im Ausland wie es noch vor 15-30 Jahren oft der Fall war. China hat inzwischen mehrere Eliteuniversitäten, die sich mit den besten Universitäten in anderen Ländern messen können (siehe Wikipedia-Artikel). Und China investiert weiter in den Ausbau der Lehre, wohl wissend dass Wissen einer der wichtigsten Schlüsselfaktoren im globalen Wettbewerb ist.

Die chinesische Gesellschaft ist aber nicht nur die Basis von Chinas Entwicklung, sondern stellt auch das größte Risiko dar. In einem Land, in dem sich die Wirtschaft in den letzten 15-20 Jahren in einem atemberaubenden Tempo entwickelt hat, hat sich auch die soziale Ungleichheit vergrößert. Zum einen zwischen dem Land und den Städten und Metropolen, die besonders von dem wirtschaftlichen Wachstum profitieren. Zum anderen auch innerhalb der Städte und Metropolen, in denen neben der Unterschicht eine wohlhabende Mittelschicht entstanden ist, aber auch viele Chinesen zu Millionären und Milliardären wurden. Nicht selten durch Korruption und guten Beziehungen zur Partei. Die Bandbreite zwischen wirklich arm und wirklich reich ist in China enorm. Das führt zu sozialen Spannungen, die sich immer wieder in Protesten gegen die vorherrschenden Zustände und gegen die Regierung entladen. Eines der wichtigsten Ziele der Regierung ist deshalb die gesamte chinesische Bevölkerung an dem wirtschaftlichen Entwicklung teilhaben zu lassen, um die Unzufriedenheit und die sozialen Spannungen nicht zu groß werden zu lassen.

Gleichzeitig kontrolliert und manipuliert die chinesische Regierung die gesellschaftliche Meinung im großen Still. Im Internet werden unliebsame Webseiten blockiert und Äußerungen in sozialen Medien kontrolliert und zensiert. Als nächstes soll ab 2020 ein sogenanntes Social Credit System eingeführt werden, welches für jeden chinesischen Bürger Pflicht wird (siehe Zeit-ArtikelSpiegel ONLINE Artikel und Wikipedia-Artikel). Über dieses können chinesische Bürger Bonuspunkte für vorbildliches Verhalten sammeln oder verlieren, falls sie sich nicht an die vorgegebenen Regeln halten. Das ganze System, welches jetzt schon in vielen kleinen, lokalen Projekten getestet wird, soll das Vertrauen innerhalb der chinesischen Gesellschaft steigern, indem jeder Bürger anhand des Punktestands eines anderen Bürgers erkennen kann, wie vertrauenswürdig dieser ist. Gleichzeitig ist das System ein großes, flächendeckendes Überwachungssystem, welches auf einem Belohnungssystem basiert. Überwachungssystem deshalb, weil alle Informationen, aus denen sich der Kontostand eines Bürgers errechnet, zentral von der Regierung gesammelt und verwaltet werden. Und die Informationen kommen aus allen Lebensbereichen und Datenquellen wie Online-Shopping, Social Media, Krankenversicherungen usw. Ernährt sich jemand gesund oder eher ungesund, treibt jemand Sport, engagiert sich jemand ehrenamtlich, spielt jemand zu viel am Computer oder schaut Pornos, wie viele Verkehrsdelikte hat sich jemand zukommen lassen, zahlt jemand regelmäßig seine Rechnungen und Steuern, hat jemand Schulden etc.

Belohnungssystem deshalb, weil abhängig von dem persönlichen Punktestand Konsequenzen für den einzelnen Bürger erwartet werden. Und die können im positiven und negativen Sinne vielfältig sein. So ist vorstellbar dass eine Beförderung erst ab einem bestimmten Punktestand möglich ist. Kredite werden günstiger je mehr Punkte jemand hat. Dienstleistungen können erst ab einem gewissen Punktestand in Anspruch genommen werden usw. Hier ist vieles vorstellbar und machbar. Denn "neben Behörden sollen auch Banken und Arbeitgeber, Vermieter, Einkaufsplattformen, Reiseveranstalter und Fluggesellschaften Einsicht in die Bewertung erhalten". Hier wird also die totale Überwachung angestrebt. Nach dem Motto "Wenn Du nach unseren Regeln lebst geht es Dir (nach unserer Vorstellung) gut und Du genießt die Vorteile, wenn nicht, dann bekommst Du die Nachteile zu spüren.".

Das System hat allerdings auch einen erzieherischen Aspekt, auf den die chinesische Regierung meiner Meinung nach primär aus ist. Irgendwann werden sich die heranwachsenden Generationen an dieses System gewöhnt haben und sich gemäß den (von der Regierung vorgegebenen) Regeln verhalten. Keiner lebt nämlich gerne dauerhaft mit Repressalien, wenn er/sie sich einem solchen System nicht entziehen kann. Also passt man sich in einem solchen Fall lieber an und tut was von einem erwartet wird. Damit wird die Regierung das Ziel einer "möglichst gleichgeschalteten" Gesellschaft erreicht haben, die sich einfacher steuern und beherrschen lässt als heute. George Orwell lässt grüßen.


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