Pflegenotstand

Ich sehe es schon kommen. Unser neuer Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) wird in dieser Legislaturperiode mein Lieblingspolitiker. Nach seinen Äußerungen zu Harz IV Bezügen und der aktuellen Gesetzeslage zu Schwangerschaftsabbrüchen, über die ich in meinem Blogpost Die GroKo fängt ja gut an... vom 19.03.2018 geschrieben habe, hat er nun einen Vorschlag unterbreitet wie er auf den aktuellen Pflegenotstand im deutschen Gesundheitssystem reagieren will. Ein Teil der 17.000 unbesetzten Stellen in der Pflege sollen durch ausländisches Pflegepersonal besetzt werden.

Und dafür wird er, meiner Meinung auch zu Recht, von vielen Seiten kritisiert. Eugen Brysch von der Deutschen Stiftung Patientenschutz sagt laut dem Zeit Online Artikel Patientenschützer kritisieren Spahns Pflegepläne, dass es für ausländische Fachkräfte derzeit unattraktiv ist in Deutschland in einem Pflegeberuf zu arbeiten. Schlechte Bezahlung, kaum Kompetenzen in medizinisch-pflegerischen Fragen und der hohe Arbeitsdruck führten dazu, dass gut ausgebildete Menschen lieber in der Schweiz, Großbritannien oder Skandinavien arbeiteten. Ebenso müsse Jens Spahn "als langjähriger Gesundheitsexperte eigentlich wissen, dass alle bisherigen Programme zur Anwerbung ausländischer Pflegekräfte gescheitert sind".

Die derzeitigen Probleme im deutschen Gesundheitssystem lassen sich nicht durch Maßnahmen beheben, die versuchen nur die Symptome einzudämmen. Schon bei der Zahl der fehlenden Pflegekräfte gehen die Schätzungen weit auseinander. Von 17.000 nicht besetzten Pflegestellen ist die Rede. Im Koalitionsvertrag stellt man 8.000 neue Stellen in Aussicht. Nach Experten müssten sofort 50.000 zusätzliches Stellen in Alten- und Krankenpflege geschaffen werden. Die Bandbreite dieser Zahlen zeigt wie uneinig sich Experten, Arbeitgeber und Institutionen über den aktuellen Status sind. Das sind dann auch denkbar schlechte Voraussetzungen für abgestimmte, zeitnahe und wirklich durchgreifende Maßnahmen.

Das eigentliche Problem und die Ursache des derzeitigen Zustands ist aber die seit vielen Jahren betriebene Privatisierung im deutschen Gesundheitssystem. Als Beispiele seien hier der Zeit Online Artikel Das Ende der Schweigepflicht vom 16.05.2012 und der Spiegel ONLINE Artikel Auf Kosten der Patienten vom 08.07.2013 aufgeführt, die schon damals die Probleme eines privatisierten Gesundheitssystems benennen: ausgedünntes Pflegepersonal und damit höhere Arbeitsbelastungen, Mindestoperationszahlen für Chefärzte, Auslagerungen von unrentablen Bereichen etc.

Mir persönlich leuchtet es nicht ein wieso man in diversen Bereichen immer wieder versucht zuvor staatliche Institutionen zu privatisieren. Immer mit dem Versprechen die Versorgungsqualität zu steigern, die Preise zu senken und Investitionen (z. B. in bestehende Infrastruktur) zu tätigen. Aber egal in welchen Bereich (Bahnverkehr, Wasserversorger, Kommunikation, Gesundheitswesen etc.) man schaut, in den meisten Fällen tritt das Gegenteil ein. Die Versorgungsqualität fällt, die Preise steigen und die versprochenen Investitionen bleiben aus. Was kaum verwundert... die beteiligten Investoren wollen schließlich Gewinne sehen. Und das geht am besten indem man die Preise erhöht, Serviceleistungen zurück fährt und nur zaghaft investiert.

In Bereichen wie der Wasserwirtschaft, die die Grundversorgung sichern, ist das schon sehr grenzwertig. Aber im Gesundheitswesen, wo das menschliche Wohl und nicht Gewinne die höchste Priorität haben sollten, finde ich die Privatisierung schlicht unmoralisch und einen großen Fehler.

Pflegekräfte gewinnt man in dem die Bezahlung signifikant verbessert und die Arbeitsbelastung gesenkt wird. Nur wird das in einem privatisierten Gesundheitssystem kaum passieren. Und mit einem Gesundheitsminister, der früher Lobbyarbeit für den Medizin- und Pharmasektor betrieben hat, wohl eher auch nicht.


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