Demokratieverständnis

Dass das Demokratieverständnis von Person zu Person sehr unterschiedlich ist, daran habe ich mich inzwischen gewöhnt. International schwankt es, basierend auf der jeweiligen Vergangenheit und Entwicklung, von Land zu Land. Aber auch in Deutschland, einem Land, welches viel auf seine Demokratie und Rechtsstaatlichkeit hält, gibt es eine breite Bandbreite von Ansichten zu diesem Thema. Das Spektrum reicht von Menschen, die Tag für Tag für die Demokratie und ihre Grundprinzipien kämpfen bis hin zu vielen, die nicht mal wissen was Gewaltenteilung ist oder wieso diese so wichtig ist. Das an sich ist schon erschreckend genug. Schlimmer wird es wenn solche Menschen öffentlich Dinge fordern, die gegen das Grundgesetz oder demokratische Grundprinzipien verstoßen. Wieso sie das machen ist mir nicht wirklich klar. Einer der Gründe dürfte sein, dass diese Menschen in einer gesellschaftlichen Sicherheit aufgewachsen sind und sich einfach so daran gewöhnt haben, dass sie diese Sicherheit als selbstverständlich wahrnehmen... als etwas, was gottgegeben ist. Aus dieser Sicherheit heraus fordern sie unreflektiert (und wahrscheinlich unbewußt) die Unterwanderung der Demokratie und Rechtsstaatlichkeit, die ihnen genau diese Sicherheit garantiert.

Was aber dem Fass den Boden ausschlägt ist wenn Politiker solche Forderungen stellen oder sich mit undemokratischen Äußerungen melden. Also Menschen, die demokratisch gewählt wurden und allen voran die Demokratie verteidigen sollten anstelle sie zu unterwandern. In letzter Zeit gab es dafür mehrere Beispiele. Hier zwei davon:

1) Der Fall Sami A. zeigt wie Politiker sich über Gerichtsentscheidungen hinwegsetzen und interessante Vorstellungen vom Rechtsstaat haben. Laut dem Der Tagesspiegel Artikel Bei Sami A. gibt der Rechtsstaat ein erschreckendes Bild ab hat Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul (CDU) die Abschiebung des Gefährders Sami A. angeordnet ohne die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen abzuwarten. Als anschließend das Oberverwaltungsgericht Münster die Rückführung von Sami A. angeordnet hat, hat Herbert Reul die Entscheidung mit der Aussage kritisiert: Richter sollten immer auch im Blick haben, "dass ihre Entscheidungen dem Rechtsempfinden der Bevölkerung entsprechen". Vielleicht muss man Herbert Reul die Gewaltenteilung in einem Rechtsstaat wie Deutschland noch mal erklären. Aber eigentlich sollte man von einem Politiker in einem so hohen politischen Amt erwarten können, dass er die Gewaltenteilung und deren Relevanz in einem Rechtsstaat in und auswendig kennt. Und aus dieser folgt, dass Gerichte unabhängig sind (und damit sich NICHT an irgendwelchen, subjektiven Rechtsempfindungen der Bevölkerung orientieren müssen) und deren Entscheidungen zu befolgen sind. Herbert Reul wurde daraufhin zur Recht auf breiter Front für sein Verhalten und diese Äußerung kritisiert.

2) Wie im Spiegel ONLINE Artikel nachzulesen ist wurde ein ZDF-Team der Sendung "Frontal 21" bei einer Pegida-Demonstration von der sächsischen Polizei eine Dreiviertelstunde lang an einer freien Berichterstattung gehindert, weil sich ein Pegida-Anhänger von dem ZDF-Team aufgrund von normalen (und zulässigen) Videoaufnahmen gestört fühlte und sich bei der Polizei beschwert hatte. Als das Geschehene (als Video) öffentlich wurde hat sich Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) mit dem folgenden Tweet zu Wort gemeldet: "Die einzigen Personen, die in diesem Video seriös auftreten, sind Polizisten". Das führte zu vielen Reaktionen aus der Gesellschaft und Politik, weil Herr Kretschmer erstens das Vorgehen der Polizei verteidigt, zweitens bereits eine Wertung der Vorfalls vornimmt und drittens das Verhalten der Journalisten indirekt als unseriös bezeichnet. Sowas geht für einen Ministerpräsidenten gar nicht. Jetzt wurde bekannt dass der pöbelnde Pegida-Anhänger ein LKA-Mitarbeiter ist, der als Buchprüfer für Wirtschaftskriminalität arbeitet und zum Zeitpunkt der Pegida-Demo im Urlaub war. Inzwischen hat sich Dresdens Polizeipräsident in einem Gespräch mit dem ZDF für die polizeilichen Maßnahme entschuldigt. Das ZDF-Team sei viel zu lange festgehalten worden.


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